Verlängerte Aussetzung der Insolvenzantragspflicht
Verlängerte Aussetzung der Insolvenzantragspflicht – der Teufel liegt im Detail!
Die Pflicht der Geschäftsleiter von Unternehmen, bei Vorliegen eines Insolvenzgrundes einen Insolvenzantrag zu stellen, wurde im März 2020 durch das COVInsAG ausgesetzt. Vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie wurde die Insolvenzantragspflicht in den Fällen ausgesetzt, in denen der Insolvenzgrund auf der COVID-19-Pandemie basierte und Aussichten darauf bestehen, dass eine bestehende Insolvenzreife beseitigt werden kann. Es galt eine gesetzliche Vermutung dafür, dass der Insolvenzgrund auf der COVID-19-Pandemie basierte, wenn dieses Unternehmen am 31.12.2019 nicht zahlungsunfähig war.
Dies galt befristet bis zum 30.09.2020.
Vom 01.10.2020 bis zum 31.12.2020 grenzt § 2 COVInsAG dies nun ein, indem die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrages nur noch bei Vorliegen des Insolvenzgrundes der Überschuldung ausgesetzt ist.
Das bedeutet, dass die Insolvenzantragspflicht weiterhin ausgesetzt ist, wenn das Unternehmen zwar überschuldet aber noch zahlungsfähig ist.
Zur Verdeutlichung soll zunächst überblicksweise dargestellt werden, was unter den Begriffen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit zu verstehen ist, da dieser feine Unterschied nunmehr tiefgreifende praktische Folgen nach sich ziehen kann.
Ein Unternehmen ist nach der BGH-Rechtsprechung grundsätzlich zahlungsunfähig, wenn mit den am Stichtag und in den nächsten drei Wochen zur Verfügung stehenden liquiden Mitteln, die am Stichtag und in den nächsten drei Wochen entstehenden fälligen Verbindlichkeiten zu weniger als 90 % bedient werden können. Ein klares Indiz für das Vorliegen einer Zahlungsunfähigkeit ist die Einstellung von Zahlungen (§ 17 Abs. 2 InsO).
Überschuldung hingegen liegt gemäß § 19 Abs. 2 InsO vor, wenn das Vermögen des Unternehmens die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich.
Die Frage, ob eine Überschuldung vorliegt wird mittels einer zweistufigen Prüfung bestehend aus Fortbestehensprognose und ggf. Überschuldungsbilanz beantwortet.
Kurzum: Von Oktober an müssen Unternehmen nun wieder einen Insolvenzantrag stellen, wenn sie 10 % ihrer fälligen Forderungen in absehbarer Zeit nicht erfüllen können.
Wird also im Vertrauen darauf, dass die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht pauschal verlängert wurde trotz bestehender Zahlungsunfähigkeit kein Insolvenzantrag gestellt, drohen sowohl Haftungsrisiken für die Geschäftsführer nach § 64 GmbHG als auch ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen Insolvenzverschleppung gemäß § 15 a InsO.
Dieses Verfahren richtet sich in nahezu allen Fällen gegen die Geschäftsführer oder Gesellschafter des Unternehmens. Der § 15 a InsO droht hierfür eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe an. Im Falle fahrlässiger Begehung stehen eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe im Raum.
Die anwaltliche Beratung muss in diesen Fällen den Bedürfnissen der Unternehmensführung ganzheitlich Rechnung tragen. Dies ist nur möglich, wenn dabei einerseits der Fokus auf die akute insolvenzrechtliche Situation gelegt wird, andererseits jedoch ebenfalls die, mitunter weitreichenden, flankierenden Risiken im Blick behalten werden.
Beispielsweise besteht für die Geschäftsführer und Gesellschafter auch das Risiko, durch ein solches Verfahren in ihrer weiteren beruflichen Laufbahn auf mehrere Arten beeinträchtig zu werden. So kann eine entsprechende Verurteilung gemäß § 6 Abs. 2 GmbHG eine zukünftige Berufung als Geschäftsführer verhindern.
Ebenfalls muss eine etwaig bestehende Gewerbezulassung beachtet werden. Es besteht die Möglichkeit, dass die zuständigen Behörden eine entsprechende Verurteilung zum Anlass nehmen, die Zuverlässigkeit der betroffenen Personen für behördliche Erlaubnisse gemäß § 35 GewO anzuzweifeln und in der Folge die Gewerbezulassung zu entziehen.
Beachtenswert ist ebenfalls die von Beginn der COVID-Gesetzgebung an vorhandene Lücke betreffend den sogenannten Eingehungsbetrug. Sofern also ein Geschäftsführer aufgrund des COVInsAG nicht verpflichtet war einen Insolvenzantrag zu stellen und weiterhin Waren und Dienstleistungen bestellt hat, obwohl ihm die Zahlungsunfähigkeit seines Unternehmens bekannt war, bleibt dies als Eingehungsbetrug im Sinne des § 263 StGB strafbar.
Als letztes Beispiel ist die Gefahr der insolvenzrechtlichen Anfechtung von geleisteten Zahlungen durch einen Insolvenzverwalter zu berücksichtigen.
Jedoch stehen in jeder Phase eines Liquiditätsengpasses verschiedene Optionen zur Verfügung:
Ist ein Liquiditätsengpass zu erwarten oder bereits eingetreten, so bieten sich beispielsweise Steuerstundungen, staatliche Hilfsmaßnahmen wie die Beantragung von Kurzarbeitergeld oder die Beantragung von direkten staatlichen Hilfen an. Auch Stundungen von laufenden Verpflichtungen wie Darlehenszinsen, Miete oder Leasingraten können kurzfristig helfen.
Auch wenn der Krisenfall bereits eingetreten ist, ist der Insolvenzantrag nicht völlig alternativlos. Je nach Einzelfall kann eine Insolvenz in Eigenverantwortung beantragt werden oder noch eine außergerichtliche Sanierung durch Umstrukturierung des Unternehmens in Angriff genommen werden.
Es wird folglich in schwierigen Zeiten empfohlen, eine ständig aktualisierte und aussagekräftige Liquiditätsplanung zu betreiben und sich vorausschauend frühzeitig kompetente Beratung zu sichern.
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